JAN FABRE
(JE SUIS SANG) "IM TEXT
VON ICH BIN BLUT
ENTWICKELN SICH DIE
FREIEN VERSE WIE
MANTRAS: EIN GEDANKE
WIRD BEGONNEN,
WIEDERHOLT UND
LANGSAM ERWEITERT.
VERSCHIEDENE STIMMEN
ZEICHNEN EIN BESTIMMTES
BILD VOM MENSCHEN IN
DER VERGANGENHEIT
(DEM MITTELALTER, ZUM
BEISPIEL), DER
GEGENWART UND DER
ZUKUNFT. SIE SCHAFFEN EIN ZEITKONTINUUM. SIE
BESCHREIBEN DIE LAST DES KÖRPERS, DER
OBSESSIONEN, FIXIERUNGEN, LEIDEN UND KRANKHEITEN
AUSGESETZT IST. DER KÖRPER, DER DIE QUELLE VON
TRIEBEN UND GESELLSCHAFTLICHEN TABUS IST, DIE IN
DIREKTEM ZUSAMMENHANG MIT BLUT STEHEN: WUNDEN,
MENSTRUATION, STIGMATA UND 'BLUTVERGIEßEN'. IN
DIESER HINSICHT HAT SICH SEIT DEM MITTELALTER
NICHTS VERÄNDERT. DER MENSCH IST SÜCHTIG NACH
BLUT IN JEDEM SINNE DES WORTES. DIE
SPIEGELWIRKUNG DER METAPHER MENSCH-TIER-VAMPIR
(BLUTSAUGER) IST TYPISCH DAFÜR. DIE STIMMEN GEBEN
DEM WUNSCH AUSDRUCK, NICHTS ALS BLUT ZU WERDEN.
BLUT HAT SEIN EIGENES SYSTEM, SICH STETS SELBST ZU
REINIGEN. DEM KÖRPER, FLEISCH UND KNOCHEN, WIRD
SYSTEMATISCH UND BESCHWÖREND ENTSAGT, UM SICH
IN ETWAS ANDERES AUFZULÖSEN, IN EINE ANDERE
FORM, DIE NICHT VON LEIDEN UND TABUS BESCHWERT
IST, ETWAS FLIEßENDES, DAS DIE MATERIE
DURCHDRINGT: EIN KÖRPER DER ZUKUNFT, DER NUR AUS
BLUT BESTEHT." (HENDRIK TRATSAERT)
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"JE SUIS SANG". ICH BIN BLUT. BÖSES BLUT. HERZBLUT.
JUNGES BLUT. ICH SCHWITZE BLUT UND WASSER. ES
GEHT INS BLUT. ER HAT DAS TANZEN IM BLUT. BLUT IST
DICKER ALS WASSER, WEIL "BLUT IST EIN GANZ
BESONDRER SAFT." LETZTERES SAGT MEPHISTO
BEKANNTLICH IM FAUST. ABER ICH QUÄLE SIE NICHT
LÄNGER BIS AUFS BLUT. EBEN UNENDLICH SIND DIE
ASSOZIATIONEN ZU DIESEM KÖRPERSAFT, VON DEM MAN
IN DER ÄLTEREN MYTHOLOGIE DACHTE, ER SEI DER SITZ
DER SEELE UND DES LEBENS. EIN
BEDEUTUNGSGELADENER STOFF WIE GESCHAFFEN FÜR
DEN BELGISCHEN JAN FABRE. DAS STÜCK IST EIN
LANGES GEDICHT, DAS ÄHNLICH AUFGEBAUT IST WIE
POLYPHONE MITTELALTERLICHE GESÄNGE UND
BIBELPSALMEN. DIE UNGEBUNDENEN VERSE SCHWINGEN
WIE MANTRAS. EINE IDEE WIRD AUFGEGRIFFEN,
WIEDERHOLT UND LANGSAM ERWEITERT. DESSEN
WESENTLICHE AUSSAGE: SEIT DEM "DUNKLEN
MITTELALTER" GIBT ES KEINEN FORTSCHRITT. DER
MENSCH IST WIE EH UND JE SO BLUTRÜNSTIG WIE VOM
BLUT ABHÄNGIG, KEIN ÜBERMENSCH IN SICHT.
AUSZÜGE AUS: KUNSTZEITUNG NR.87/NOV.03,S.23
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BESETZUNG
BILDER
© MAREIKE KOWALSKI
RUHRNACHRICHTEN DIENSTAG, 4.OKTOBER 2005
ALLES WIRD GUT - ICH BIN BLUT
UNBLUTIG INSZENIERT “T-ATER” JAN FABRES FINALEN ADERLASS
BOCHUM
SO EIN PREMIERENPUBLIKUM KANN SCHON NEIDISCH MACHEN. DENN
DAS, WAS DAS "T-ATER" VERGANGENEN FREITAG AUF DIE BÜHNE
BRACHTE, WAR KEINE LEICHTE KOST. HOCHKONZENTRIERT, GEDULDIG
UND ANERKENNEND REAGIERTE DAS PUBLIKUM IM THEATER DER
GEZEITEN.
DER FLÄMISCHE KÜNSTLER UND CHOREOGRAPH JAN FABRE
BESCHWÖRT IN SEINEM TANZTHEATERSTÜCK "ICH BIN BLUT" EINE
KLEBRIGE ERLÖSUNGSMYSTIK. DAZU WERDEN VOR ALLEM LATEINISCHE
TEXTE AUS DEM MITTELALTER ZITIERT. AUSGEHEND VON DER
FESTSTELLUNG "WIR SCHREIBEN DAS JAHR 2001 NACH CHRISTI UND
LEBEN IM MITTELALTER" WERDEN GEDANKEN ANEINANDER GEREIHT,
WIEDERHOLT UND WEITERENTWICKELT. DABEI STELLT FABRE DAS
UNGESUNDE VERHÄLTNIS DES CHRISTENMENSCHEN ZUM KÖRPER IM
ALLGEMEINEN UND ZUM BLUT IM BESONDEREN HERAUS. DAS BLUT
SELBST WIRD ZUR WELT AN SICH HOCHSTILISIERT. NUR IM BLUT KÖNNE
DAS LEIDENDE INDIVIDUUM SEINE ERLÖSUNG FINDEN. DAZU MÜSSE
ALLERDINGS DAS BLUT VOM KÖRPER BEFREIT WERDEN. DER TEXT
ENDET MIT DER FEIERLICHEN UND SYSTEMATISCHEN ÖFFNUNG ALLER
ARTERIEN. DAS BLUT IST FREI UND DER MENSCH ERLÖST. DOCH DIE
BEGEISTERUNG HIELT SICH SCHON BEI DER URAUFFÜHRUNG 2001 IN
AVIGNON IN GRENZEN.
NEUINSZENIERUNG
THORSTEN SPERZEL INSZENIERTE NUN DIE ROMANTISCHEN
ERLÖSUNGSPHANTASIEN FABRES ALS EINEN INNEREN DIALOG
ZWISCHEN KÖRPER UND GEIST. DER BÜHNENRAUM IST SCHWARZ UND
NACKT. EIN MIT NESSELSCHLEIER DURCHSICHTIG ABGEHÄNGTER RAUM
UND EINIGE BÜHNENELEMENTE STRUKTURIEREN DIE BÜHNE. HELL
ERLEUCHTET ÜBERSTRAHLT EIN GROßES KREUZ DEN RAUM.
BESCHWÖREND, MAL UNVERSÖHNLICH, DANN WIEDER VERFÜHRERISCH
LEGT RAYMOND DUDZINSKI SEINE FIGUR ALS GEIST AN. DER KÖRPER,
DARGESTELLT VON SIMON KARSTEN, VERFÄLLT SCHWACH UND
WILLENLOS ZUNEHMEND DEM GEIST. DOCH WIRKLICH SPANNEND WIRD
ES ERST, WENN DER PATHOS DES TEXTES UNERTRÄGLICH WIRD, UND
SICH DIE SCHAUSPIELER VON DER ÜBERMACHT DES TEXTES LÖSEN.
ERST DANN BEGINNT DAS EIGENTLICHE SCHAUSPIEL. DOCH DER TEXT
LÄSST LEIDER WENIG ZU. ZUM SCHLUSS SETZT SPERZEL SELBST NOCH
EINE GEHÖRIGE PORTION KITSCH DRAUF. DIE AUFFÜHRUNG ENDET
BEDEUTUNGSSCHWANGER MIT EINER NACHGESTELLTEN PIETA - DER
GEIST (DUDZINSKI) ALS MARIA MIT DEM KÖRPER (KARSTEN) ALS LEIB
CHRISTI. UND ÜBER ALLEM SCHWEBT DAS CHRISTLICHE SYMBOL DER
AUFERSTEHUNG. WELCH EIN ENDE! DAS PUBLIKUM APPLAUDIERTE
TROTZDEM. | ANDREA RODE
KRITIK
LINKS
MANN
RAYMOND DUDZINSKI
MANN
SIMON KARSTEN
FOTOS
MAREIKE KOWALSKI
ROBIN JUNICKE
RONALD SALERT
PRESSE
MAREIKE MÖLLER
DRAMATURGIE | REGIE
THORSTEN SPERZEL
ICH BIN BLUT
RUHRNACHRICHTEN DIENSTAG, 4.OKTOBER 2005
PROBIEREN GEHT ÜBER STUDIEREN
BOCHUM
AUF EIN RISKANTES EXPERIMENT HATTE SICH DIESMAL REGISSEUR
THORSTEN SPERZEL EINGELASSEN. NICHT ALS SCHAUSPIEL, SONDERN
ALS TANZTHEATERSTÜCK FÜR SEINE COMPAGNIE TROUBLEYN HATTE
DER FLÄMISCHE KÜNSTLER UND CHOREOGRAPH JAN FABRE "ICH BIN
BLUT" FÜR DAS THEATERFESTIVAL IN AVIGNON 2001 GESCHRIEBEN UND
INSZENIERT.
WAS FOLGLICH ALS TEXT VORLAG, MUSSTE FÜR DAS SCHAUSPIEL NEU
GEDACHT WERDEN. UND DIE ZEIT WAR KNAPP. IN NUR EINEM MONAT
SOLLTE DIE INSZENIERUNG DES T-ATERS NOCH VOR SEMESTERBEGINN
STEHEN. SPERZEL, SELBST STUDENT DER THEATERWISSENSCHAFTEN
IN BOCHUM, ERZÄHLTE NACH DER PREMIERE: "ALS ICH ZUM ERSTEN
MAL DEN TEXT GELESEN HATTE, WUSSTE ICH NICHTS VOM AUTOR UND
SEINER INSZENIERUNG. WIR HABEN EINFACH VERSUCHT DIESEN TEXT
AUF DIE BÜHNE ZU BRINGEN."
NUN HAT SPERZEL SEINEN TEIL DER ARBEIT GETAN UND HOFFT AUF
FEEDBACK. DAS PUBLIKUM IST JETZT GEFRAGT ÜBER DEN SINN UND
UNSINN VON "ICH BIN BLUT" ZU BEFINDEN. EINS ALLERDINGS HAT DAS
ENSEMBLE AUF JEDEN FALL ERREICHT: NACHDENKLICHKEIT.
NACHDENKLICHKEIT ÜBER DIE VÖLLIGE ABSAGE DES ANALYTISCHEN
DENKENS ZU GUNSTEN EUPHORISCH GEFEIERTEN GEFÜHLEN.
| ANDREA RODE