DENNIS KELLY
MICHAEL UND MICHELLE
SIND GESCHWISTER. AN
MICHAELS SECHZEHNTEM
GEBURTSTAG ERRICHTET
SEIN VATER EIN VIER
METER HOHES KREUZ IM
WOHNZIMMER UND
KREUZIGT SICH SELBST.
"MEIN SOHN, MEIN SOHN,
WARUM HAST DU MICH
VERLASSEN?" DIE MUTTER,
ERFAHREN WIR VON
MICHELLE, IST SCHON
LANGE TOT; SIE IST KURZ
VOR DER GEBURT IHRER
TOCHTER AN EINEM HÜHNERKNOCHEN ERSTICKT.
MICHAEL UND MICHELLES WELT IST SO BIZARR, LIEB- UND
TROSTLOS, DASS MICHAEL, VÖLLIG FASZINIERT VON
EINER HÄUSLICHEN SZENE, IN DER EINE MUTTER MIT
IHREM SOHN SCHWEIGEND, IN EINTRACHT FERNSIEHT,
DURCH EIN FENSTER IN DIE WOHNUNG EINSTEIGT UND
SICH HINTER DEM SOFA VERSTECKT, UM AUF DIESE
WEISE AM "FAMILIENGLÜCK" ZU PARTIZIPIEREN. ALS ER
ENTDECKT WIRD, VERSTECKT ER SICH AUF DER FLUCHT
IN EINEM MÜLLHAUFEN, IN DEM EIN HALBTOTES BABY
LIEGT. DIESES BABYS NIMMT MICHAEL SICH AN, ER SÄUGT
ES AN SEINER BRUST MIT SEINEM BLUT UND HÄLT ES SO
AM LEBEN.
BESETZUNG
BILDER
© ROBIN JUNICKE
RUHRNACHRICHTEN DIENSTAG, 3.JULI 2007
ZWISCHEN TOD UND VERWESUNG
„SCHUTT" AN DER STUDIOBÜHNE DER RUB - QUERENBURG
EIN SCHRECK DURCHZUCKT DAS PUBLIKUM, SCHREIE, HEKTISCHE
BEWEGUNGEN, TOD. MICHAEL, DER ÄLTERE BRUDER, MUSS ZU SEINEM
16. GEBURTSTAG ANSEHEN, WIE SICH SEIN VATER IM EIGENEN
WOHNZIMMER AN EINEM VIER METER HOHEN HOLZKREUZ KREUZIGT.
FESSELND BESCHREIBT ER DIE LETZTEN STUNDEN SEINEN VATERS,
DER SICH SELBST AN DAS HOLZKREUZ NAGELT. ALLES IST BIS INS
LETZTE DETAIL SORGFÄLTIG DURCHDACHT.
MICHAEL, GESPIELT VON MICHAEL SCHÖNERT, SPRICHT NICHT DIREKT
ZU DEN WENIGEN ZUSCHAUERN. ER SITZT VOR EINER KAMERA, DIE SEIN
GESICHT FILMT UND AUF EINER GROßEN LEINWAND HINTER DER BÜHNE
ZEIGT. SEINE SCHWESTER MICHELLE, MELISSA KUMPMANN, ERZÄHLT
VON DEM SCHICKSAL DER MUTTER. BEREITS MIT MICHELLE
SCHWANGER ERSTICKT SIE AN EINEM HÜHNERKNOCHEN. HYSTERISCH
LÄUFT SIE AUF DER FAST QUADRATISCHEN BÜHNE UMHER, RÜTTELT AN
DEM HÜFTHOHEN GERÜST, DAS DIE BÜHNE UMSPANNT. ROHE WORTE,
DIE VERWESUNG UND TOD BESCHREIBEN, DOMINIEREN AM
SAMSTAGABEND DAS STÜCK „SCHUTT" VON DENNIS KELLY.
REGISSEUR THORSTEN SPERZEL SPIELT IN DER AUFFÜHRUNG DER RUB-
STUDIOBÜHNE MIT DER FANTASIE DES PUBLIKUMS. ABER SOVIEL EKEL
MAG MAN SICH KAUM VORSTELLEN. MICHELLE UND MICHAEL JAGEN
SICH MIT HYSTERISCHEM LACHEN ÜBER DIE BÜHNE VON
MORDGEDANKEN UND VERZWEIFLUNG GEPLAGT. GLÜCK,
ZUFRIEDENHEIT UND EIN ERFÜLLTES FAMILIENLE¬BEN EXISTIERT NUR
IN DER FANTASIE DER JUNGEN GESCHWISTER. IMMER WIEDER IST VOM
FERNSEHER DIE REDE, DEM DER VATER MEHR BEDEUTUNG SCHENKT
ALS SEINEN KINDERN. DIE GRENZE ZWISCHEN FANTASIE UND
WIRKLICHKEIT VERSCHWIMMT VOLLENDS, ALS MICHAEL DEN KLEINEN
SCHUTT, EIN BABY, AUF DEM MÜLL FINDET. IST DER FERNSEHER AN DEM
REALITÄTSVERLUST DER GESCHWISTER SCHULD? HAND IN HAND
ENTFERNEN SICH DIE GESCHWISTER AM ENDE DES STÜCKES VOM
PUBLIKUM. DER ZUSCHAUER BLEIBT JEDOCH VERWIRRT ZWISCHEN
REALITÄT UND FANTASIE ZURÜCK. || INGR
KRITIK
LINKS
MICHELLE
MELISSA KUMPMANN
MICHAEL
MICHAEL SCHÖNERT
VIDEO
ROBIN JUNICKE
DRAMATURGIE
MAREIKE MÖLLER
REGIE
THORSTEN SPERZEL
SCHUTT
KULAN.DE JULI 2007
SCHUTT – DENNIS KELLY ZEIGT UNS EINE GANZ NORMALE FAMILIE
DER INHALT
DAS STÜCK THEMATISIERT DIE MÖGLICHEN FOLGEN VON ZU HOHEM
FERNSEHKONSUM. DA VERSCHWIMMT DIE REALITÄT UND ES BLEIBEN
NUR NOCH FETZEN DIE DEM ZUSCHAUER AUF EINDRÜCKLICHE ART UND
WEISE DARGESTELLT WERDEN. ZWEI LEIDENDE WESEN, DIE DEM
ZUSCHAUER EINEN KURZEN EINBLICK IN DIE ABGRÜNDE IHRES DASEINS
LIEFERN. WO HIER DIE GRENZEN ZWISCHEN REALITÄT, FIKTION UND
WAHNSINN ZU ZIEHEN SIND, BLEIBT DEM PUBLIKUM ÜBERLASSEN. DOCH
IST DAS ERSCHRECKENDE AN DIESEM OPUS DES FAMILIENDRAMAS,
DAS ES ALLZU OFT ALS ECHT UND MÖGLICH ERSCHEINT, OBGLEICH ES
NUR IN EXTREMEN LEBT. SO IST DAS SPIEL MIT DEN GEGENSATZPAAREN
LICHT – SCHATTEN, SCHWARZ – WEIS, LAUT – LEISE DAS GESAMTE
STÜCK ÜBER EIN STETIGER BEGLEITER. WIE SONST LÄSST SICH DIESES
THEMA AUCH UMSETZEN?
DAS STÜCK
WAS STELLT SICH DEM ZUSCHAUER DAR, WENN ER DEN DUNKLEN (UND
ÄUßERST KALTEN) BÜHNENRAUM DES MUSISCHEN ZENTRUMS DER
RUHR-UNIVERSITÄT BOCHUM BETRITT? NUN ALS ERSTES KOMMT DER
INTERESSANTE BÜHNENAUFBAU ZUM VORSCHEIN. MAN SIEHT DIE
BOXRINGARTIGE BÜHNE, EINE ÜBERGROßE LEINWAND UND NICHTS
MEHR. DIE LEINWAND STEHT NACH AUSSAGE VON THORSTEN SPERZEL
(REGIE; BÜHNE/PLAKATE/PROGRAMMHEFT) FÜR: „DAS FENSTER ZUR
WELT“. WIE MAREIKE MÖLLER (DRAMATURGIE; PRESSE- U.
ÖFFENTLICHKEITSARBEIT/SOUFFLEUSE/MASKE) IM SPÄTEREN
INTERVIEW ERKLÄRTE, IST EINES DER HAUPTANLIEGEN DER
THEATERGRUPPE T-ATER DAS REDUZIEREN AUF DAS WICHTIGSTE. SO
SOLL KEINE UNNÖTIGE DEKORATION ODER GAR DAS BÜHNENBILD VON
INHALT DES STÜCKES ABLENKEN. UND IN DER TAT IST GENAU DIESE
ENTSCHEIDUNG ZUM MINIMALISMUS ETWAS, WAS MAXIMALE WIRKUNG
BEIM ZUSCHAUER ERZEUGTE.
DIE SCHAUSPIELER TRUGEN DAS STÜCK NAHEZU ALLEIN, DENN MIT
IHRER ÜBERZEUGENDEN LEISTUNG SCHUFEN SIE GENAU DIE
ATMOSPHÄRE, DIE DEM STÜCK INNEWOHNT.
DIE MACHER
REGISSEUR THORSTEN SPERZEL KONNTE WIEDER EINMAL
BEEINDRUCKEND ZEIGEN WAS IN IHM STECKT! DER VIELLESER SPERZEL
SAGTE IM INTERVIEW, DASS ER IMMER NEUE UND INTERESSANTE
STÜCKE SUCHT UND LIEST, AUS DENEN ER NEUE ANREGUNGEN
SCHÖPFT. SCHON IN FRÜHEREN INSZENIERUNGEN BEWIES ER DAS
AUGE FÜR DAS DETAIL SOWIE DEN GESAMTZUSAMMENHANG.
ES BLEIBT NUR ZU HOFFEN, DASS SEIN NÄCHSTES DIE NÖTIGE
RESONANZ ERHÄLT, DIE ES VERDIENT!
DER KOMMENTAR
DIE ERSTEN WORTE DIE AUS MIR HERAUS WOLLTEN, WAREN:
ATMOSPHÄRISCH, ÜBERZEUGEND, BEDRÜCKEND, EINSAM, DÜSTER,
GLAUBHAFT ZERMÜRBEND USW. EINE ÄUßERST ÜBERZEUGENDE
LEISTUNG EINES ZWAR KLEINEN, ABER NICHT ZU UNTERSCHÄTZENDEN
ENSEMBLES. ICH WÜRDE MIR SEHR WÜNSCHEN, DASS DIESES STÜCK
NOCHMALS AUFGEFÜHRT WERDEN WÜRDE!!!
Plakat folgt